Baubericht, erster Teil

Der folgende Baubericht könnte den Eindruck erwecken, ich hätte über Jahre hinweg methodisch und kühl das Projekt der Restaurierung verfolgt. Das ist nun wirklich nicht der Fall gewesen! Es gab vielmehr eine Menge Error and Trial; und vor allem gab es lange Phasen, in denen ich zu erschöpft, zu gelangweilt oder zu ratlos war, um weiterzumachen. Immer wieder habe ich Arbeiten zurückgestellt, mit deren Ergebnis ich nicht zufrieden war, und mich anderen (ganz anderen!) Modellprojekten gewidmet, bei denen es sichtbare Erfolge gab. Für diesen Baubericht habe ich die Geschichte der Restaurierung allerdings weitgehend geordnet. Oder anders gesagt: So wäre der Prozess wahrscheinlich verlaufen, wenn ein richtiger Fachmann sich dem Gegenstand gewidmet hätte und nicht einer, der sich im Wesentlichen durch ein Learning on the Job für seine Aufgabe qualifizieren musste. Das ganze Unternehmen dauerte von September 2006 bis Juli 2013. Würde ich die eigentlichen Arbeitsphasen zusammenziehen, so kämen nach meiner ungefähren Schätzung 18 bis 20 Monate heraus, in denen ich die kompletten Wochenenden und einige Abendstunden unter der Woche der Restaurierung hätte widmen müssen.

Der Rumpf

Abschliff und Grundierung

Schon bei der Demontage war mir klar geworden, dass selbst ein gründliches Abschleifen des Rumpfes als Grundlage für eine Neulackierung nicht ausreichen würde. Dafür gab es zu viele gravierende Beschädigungen.
Vorne waren Steven und Kiel zerbrochen und mussten rekonstruiert werden. Ich habe das mit einer mehrfach eingeschnittenen Leiste bewerkstelligt, die um den Rumpf gebogen wurde und deren Spalten später mit Spachtelmasse gefüllt wurden. Eleganter wäre es gewesen, das entsprechende Teil passgenau auszusägen. Aber da der Rumpf sowieso an Hunderten von Stellen zu spachteln war, kam es auf eine weitere Spachtelarbeit nicht an.

Hinten fehlte eine Art Flosse, die die Schiffsschrauben vor Bodenberührung schützt. Zur Sicherheit habe ich das Ersatzteil mit mehreren Messingstiften am Rumpf befestigt.

Im vorderen Bereich war das Schanzkleid abgebrochen und gesplittert. In mehreren Arbeitsgängen musste das lose beiliegende Teil zusammengefügt und an seinen alten Ort gebracht werden.

Und dann galt es, die unzähligen Kratzer und Dellen zu spachteln. Hier erfuhr ich nachdrücklich, dass ein Modell von 160 cm Länge definitiv mehr Arbeit macht als eines von 60! Die dünnen Messinghülsen, die die Bullaugen darstellten, beließ ich bis zum Ende des Abschleifens im Rumpf, um die entsprechenden Löcher scharfkantig zu halten und nicht zu Mulden zu schleifen. Mit einem kleinen Fräser ließen sie sich schließlich ohne Beschädigung des Rumpfes aus dem Holz holen. Sie waren übrigens mit einer grünen Masse gefüllt, die ich nie habe identifizieren können. Sie roch irgendwie seifig.

Auf dem Foto sind einige Bullaugen zu sehen. Die oberen beiden sind Exemplare aus einer Neuproduktion, die ein Fachbetrieb für mich übernahm. Die Originale waren aus gebördelten Messinghülsen gefertigt, die neuen wurden aus entsprechendem Rohmaterial gedreht.

Ein Foto aus der frühen Spachtelphase:

Schließlich, nach Wochen des immergleichen enervierenden Spachtelns und Schleifens, war es soweit, dass ich bloß noch auf einen warmen und windstillen Tag warten musste und darauf, dass die Spraydosen mit meinem bevorzugten Haftgrund gründlich durchgeschüttelt waren. Erst sah es so aus:

Und eine halbe Stunde später, nachdem sich der Sprühnebel verzogen hatte, so:

Das war ein großer Moment, aber ich bekam auch einen gelinden Schock. Zum ersten Mal war die „archäologische“ Anmutung des Rumpfes verschwunden. Stattdessen sah er aus wie frisch aus dem Laden. Daran musste ich mich gewöhnen. Die Gewöhnung wurde allerdings „erleichtert“ durch eine genaue Kontrolle des Ergebnisses: Viele Kratzer waren jetzt zwar verschwunden, aber durchaus nicht alle!

Weiter ging es also, mit immer feineren Schleifmitteln, bis ich den Rumpf so glatt glaubte wie all das, womit man glatte Dinge immer vergleicht. Die folgenden Grundierungen fanden dann wieder in meiner kleinen Werkstatt statt, obwohl die dafür jedes Mal sehr aufwändig umgebaut und abgedeckt werden musste.

Leider trat in diesem Zustand auch zu Tage, dass sich die schottischen Modellbauer vor 100 Jahren nicht die allergrößte Mühe gegeben hatten, alle 520 Bullaugen genau in Fluchtlinie des Decksprungs zu bohren. Mich stellte das erstmals vor die schwierige Frage, was tun: streng den Urzustand rekonstruieren (wie ich es mir eigentlich vorgenommen hatte), oder auch gegebenenfalls etwas verändern, um es zu verbessern. Diese Frage ist später immer wieder aufgetaucht! Hier entschied ich mich für den berühmten Mittelweg und korrigierte ein paar gar zu auffällige „Ausreißer“. Später habe ich oft ähnliche Kompromisse gemacht. Und ich stehe bis jetzt zu allen!

Die Neulackierung

Eine der vielen Pausen bei der Restaurierung rührte von meiner Unsicherheit darüber, wie ich es konkret bewerkstelligen sollte, den Rumpf zu lackieren. Die Farbgebung selbst war natürlich klar; aber wie sollte ich, der ich bislang höchstens knapp armlange Objekte gewissermaßen aus der Hand mit der Airbrush lackiert hatte, einen kiloschweren, 160 cm langen Rumpf spritzen? Beim Lackieren kommt es auf zügige und vor allem gleichmäßige Arbeit an. 160 cm sind nicht in der Hand zu halten und schwer zu überblicken! Außerdem gaben meine Airbrushs nicht genug Farbe ab. Ich machte dann Versuche mit handelsüblichen Spraydosen, die recht vielversprechend waren. Die Aufbauten etwa konnte ich zu meiner vollen Zufriedenheit lackieren, indem ich sie in der Hand hielt und dann solange rotierend bewegte, bis die Farbe ohne zu verlaufen wunderbar seidenmatt aufgetrocknet war. Dennoch war ich kurz davor, die Arbeit am Rumpf an einen professionellen Lackierer zu übergeben. Ich hätte das wahrscheinlich auch getan, wenn es sich um eine einfarbige Lackierung gehandelt hätte, aber es musste ja zwei Mal abgeklebt werden, einmal für das rote Unterwasserschiff, dann für den weißen Teil der Aufbauten, der noch mit dem Rumpf verbunden war. Diese Abklebearbeiten, das ahnte ich, würden sich aufgrund des Decksprungs (der Biegung des Rumpfes in Längsrichtung) womöglich sehr schwierig gestalten. Und das sollte ich dann in einer fremden Werkstatt leisten, unter Zeit- und anderem Druck? Dabei würde doch allzu leicht die Präzision flöten gehen. Später sollte ich erfahren, wie sehr ich damit Recht hatte bzw. gehabt hätte.

Schließlich baute ich mir eine Vorrichtung, die es mir erlaubte, um den Rumpf herumzugehen und ihn in Maßen auch zu drehen. Leider musste diese Arbeit wieder draußen stattfinden; meine Werkstatt war dafür zu klein. Und so sah es schließlich aus; die Konstruktion erinnert ein bisschen an die für größere Grillpartys:

Mit einem Rundholz, das sich in die Aufnahmelöcher für den Ständer des Modells stecken ließ, konnte der Rumpf angehoben werden, um ihn besser zu sehen und um ggf. das Ablaufen von Lackiernasen zu verhindern:

Dann konnte ich nur noch auf einen windstillen Sommersamstagnachmittag warten. Die Angst, jetzt alles zu verderben, war groß; sie wurde allerdings gebändigt durch meine Vorbereitungen: Immerhin war der Rumpf noch so glatt und frei von Anbauteilen, dass ein Neuschliff nach misslungener Lackierung nichts beschädigen würde. Ich hatte im Prinzip mehrere Lackierversuche gut.

Nach einigem Warten auf das richtige Wetter ging es los: Zwei Spraydosen meines Lieblingslackes Marke Brillux (ich bekomme nichts für die Werbung!) hat der Rumpf gefressen. Und er glänzte anschließend so seidig wie die Aufbauten. Dabei habe ich deckend nur in den seitlichen Bereichen lackiert, die schwarz bleiben sollten. Anschließend habe ich den Rumpf zwei Wochen unbehelligt gelassen. Auch die extrem schnell trocknende Farbe aus den Spraydosen härtet noch Tage lang weiter aus. Schließlich konnte ich dann nicht widerstehen und arrangierte eine Stellprobe mit bereits fertiggestellten Aufbauten. Das Ergebnis war damals, zumindest für mich, überwältigend und ein starker Anreiz, mit Elan weiterzumachen, egal welche Probleme es noch geben würde.

Danach erst begann das Abkleben für die Lackierung des Unterwasserbereichs.

Da es für das Unterwasserrot keine Spraydosenfarbe gab und es daher mit der Airbrush aufgebracht werden musste und weil überdies das Wetter dauernd ungünstig war, habe ich die Lackierung schweren Herzens in der Werkstatt vorgenommen. Dabei musste der Rumpf mehrmals gedreht werden, was nur außerhalb des kleinen Raumes möglich war. Die Handgriffe dazu hatte ich vorher mehrmals geübt. Eine heikle Prozedur, doch mit dem Ergebnis war ich wieder zufrieden.

Dabei hatte es kurz zuvor noch nach einem Desaster ausgesehen! Und zwar, wie geahnt, beim Anzeichnen der Wasserlinie. Die war, wie sich zeigte, von den schottischen Modellbauern keineswegs so streng gezogen worden, wie das Modellbauer heute tun, wenn sie ihre Modelle fest aufständern und dann mit einem Höhenreißer daran vorbeifahren. Ich hatte mir eigens ein solches Teil in bester Qualität mit einem schweren Standfuß besorgt und die Erlaubnis erhalten, auf der gläsernen Platte unseres Esstisches anreißen zu dürfen. Doch dann musste ich sehen, dass die technisch korrekte Linie nicht mit der Position der Bullaugen und anderen feststehenden Markierungen am Rumpf korrespondierte. Lange habe ich mit mir selbst um einen Kompromiss gerungen, dabei schließlich das Schiff an einer Seite um etwa 3 mm angehoben. Hauptsache, die Wasserlinie wirkte stimmig.

Blieb noch der obere, weiße Teil. Ein letztes Mal musste angezeichnet und verpackt werden. Die schwarz/weiß-Trennkante verläuft dem Decksprung entsprechend, also in einer sanften Kurve. Ich hatte mir ein kleines Werkzeug gebaut, mit dem ich die Linie von der Oberkante des Rumpfes übertragen konnte.

Dann ging es ans Einpacken der nicht zu lackierenden Bereiche. Ich habe das wie immer mit mehreren Lagen Zeitungspapier getan, ganz besonders sorgfältig, denn ein weißer Schleier über einem schwarzen Rumpf hätte alle bisherige Arbeit ruiniert.

Der jetzt noch zu lackierende Bereich war der überschaubarste. Außerdem ist Weiß leichter zu spritzen als Schwarz, weil entschieden heller.

Das Modell hatte ursprünglich wahrscheinlich einen weißen Wasserpass; beim Abschleifen hatte ich jedenfalls einen weißen Farbbereich in Höhe der Wasserlinie gefunden.

Ich wollte es aber mit der Vorbildtreue nicht auf die Spitze treiben, indem ich die weiße Linie lackierte - und damit womöglich das Modell ruinierte. Daher ist der neue Wasserpass aus einer hauchdünnen Folie gefertigt, die ich mir in einem Laden für Werbebeschriftungen hatte plottern lassen. Das hatte zudem den Vorteil, dass sich die „Farbhöhenkante“ zwischen dem Schwarz und dem später aufgetragenen Rot wunderbar kaschieren ließ.

Das Folienmaterial ist allerdings nicht nur hauchdünn, sondern auch sehr empfindlich; und über 160 cm eine gleichmäßig geschwungene Linie zu verlegen, war nicht einfach. Die Folie ist sehr biegsam, was aber auch heißt, dass man sie nach ein paar falschen Bewegungen nicht mehr gerade bekommt, und die längste Strecke sollte sie ja fast gerade sein. Die Arbeit war nervenraubend! Und dann atmete das Ergebnis eine gewisse Perfektion, an die ich mich erst einmal gewöhnen musste.

Der nächste Schritt war die Anbringung von schmalen (Bark)Hölzern an der Bordwand. Beim Modell waren diese Hölzer ebenso wie die Kanten der Decks rotbraun lackiert, um ein einheitliches Bild zu erzielen. Ich wollte aber die restaurierten Decks (davon später mehr) nicht an den Kanten mit einer abweichenden Farbe überdecken. Deshalb galt es, Leisten in der entsprechenden Stärke mit ähnlicher Holzstruktur und -farbe zu finden. Ich habe schließlich Nussbaum-Leisten von 1,5 x 0,8 mm bei einem Anbieter im Netz gefunden und in einer speziellen Halterung befestigt, um so die Kanten abrunden zu können, ohne dass die sehr empfindlichen Leisten dabei zersplitterten. Sie ohne Klebstoffpatzer auf die Bordwand zu bekommen, war die nächste Herausforderung. Ich habe schließlich gar keinen Klebstoff verwendet, sondern die Leisten wie beim Vorbild in vorgebohrte Löcher genagelt bzw. gestiftet. Im Foto unten eine Maßprobe mit Klebeband. Danach wurden die Leisten durchbohrt und mit 0,5 mm Messingstiften an der Bordwand befestigt.

Für den oberen Abschluss der Bordwand im vorderen und hinteren Bereich habe ich eine etwas breitere Halbrundleiste (2 mm) verwendet, nachdem ich sie vorher an die Farbe der Decks angepasst hatte. Sie wurde ebenfalls nicht geklebt, sondern gestiftet. Dort, wo sie mit der Rumpfoberkante eine Einheit bilden sollte, wurde sie zusätzlich mit dickflüssigem Sekundenkleber fixiert, den ich vorsichtig von oben aufgeträufelt habe. Danach wurden Leiste und Rumpf zu einer Einheit verschliffen.

Das folgende Foto zeigt die Wirkung der Leiste auf der schwarz-weiß-Farbtrennkante im Bugbereich. Ein paar Bullaugen sind probehalber bereits eingesetzt.

Die Türen und Ladeklappen auf der Bordwand waren beim Modell im Urzustand eingraviert. Das wollte ich nicht reproduzieren. Ein falscher Schnitt, und ich hätte Wochen und Monate Arbeit ruiniert! Also habe ich Türen und Klappen aus 0,2 mm Messing geschnitten und mit den Originalscharnieren aus Messing versehen, die vorher ausgiebig in Aceton ihre Farbüberzüge hatten ablegen dürfen. Nach dem Lackieren wurden die Scharniere wieder freigekratzt. Zwei Stellproben:

Das Folgende war die Arbeit von zwei kompletten Wochenenden:

Ich hatte, wie schon berichtet, beim Abschleifen des Rumpfes die Messinghülsen (Bullaugen) im Holz gelassen, um die Ränder der Löcher zu schützen. Dabei waren die „Krägen“ der dünnen Messinghülsen zwar zerstört worden, doch die Löcher waren nach Entfernung der Resthülsen scharfkantig geblieben. Ich hatte die Löcher dann so vorbereitet, dass die ca. 520 neuen Messinghülsen, die mir eine Präzisionsfräserei genauestens auf Maß gefertigt hatte, glatt hinein passen sollten. Und das war auch vor dem Lackieren der Fall gewesen! Doch danach waren alle Löcher wieder einen Hauch zu schmal. Also mussten ca. 520 Löcher sehr vorsichtig nachbehandelt und geprüft werden, bevor ich die Bullaugen ohne Patzer und Schmierereien einsetzen konnte. Wie gesagt: zwei Wochenenden Arbeit! Außerdem mussten ca. 520 von der Rückseite grün lackierte Plastikscheibchen in den Hülsen untergebracht werden, mit einem Hauch Abstand vom Rand, weil ich das so schöner fand.

Das Modell stand ursprünglich auf vier Füßen, die direkt in den Rumpf eingelassen waren. Diese Füße waren nicht mehr vorhanden. Ich habe an den entsprechenden Stellen Messingrohre versenkt und angespachtelt, um bei der späteren Auswahl der Füße flexibler zu sein.

Schließlich habe ich das Ruder lackiert und an die teilweise neu angesetzten Scharniere am Rumpf angeklebt. Die Schrauben aus Messing wurden poliert und mit Zapon-Lack überzogen, um sie gegen Oxydation zu schützen. Ich war damals immer wieder überrascht, wie viele von den doch sehr gefährdeten Beschlagteilen nicht verloren gegangen waren. So stimmige Schrauben hätte ich sicher nicht im Laden kaufen können. Später habe ich dann allerdings erfahren müssen, was alles nicht mehr da war!

Nach Abschluss dieser Arbeiten am Rumpf war ich heilfroh. Damit war nämlich die großflächigste und heikelste Lackierarbeit abgeschlossen und mit dem Einsetzen der Bullaugen eine der schlimmsten Serienarbeiten. Die folgenden Fotos zeigen hinter dem fertigen Rumpf der KFJ ein Flusskanonenboot und einen kleinen Dampfer der Ostafrika-Linie. Auch die sind im Maßstab 1:100 gebaut und machen damit vielleicht die Größe der KFJ deutlich. (Übrigens bin ich kein großer Rechner, aber ich denke, das Modell ist gar nicht im Maßstab 1:100, sondern in britischer Tradition im Maßstab 1:96 gebaut.)

Die Decks

Wenn ich mich jetzt den Decks widme, mache ich damit einen Schritt zurück in der Zeit. Als überschaubare und weniger anspruchsvolle Projekte hatte ich Decks und Aufbauten nämlich vorgezogen. Erwähnt habe ich bereits, dass sie sich alle recht leicht entfernen ließen; zum Glück war nichts geklebt. Hier eines der besser erhaltenen Decks im Originalzustand:

Die meisten Decks aber hatten massive Wasserschäden; und da an manchen Stellen mit dem Lack auch die "Planken" verschwunden waren, gab es keine andere Lösung als die, die Decks komplett abzuschleifen und die Planken neu aufzumalen. Hier das besonders beschädigte Backdeck nach dem Abschleifen mit ein paar der gereinigten Beschlagteile als Stellprobe.

Nach vielem Nachdenken und Probieren habe ich die Linien mit einem handelsüblichen Tintenstift vom Durchmesser 0,1 mm auf das mit Klarlack versiegelte Deck gezogen. Dazu hatte ich mir eine Abstandsschablone gebaut, die ans Lineal angelegt werden konnte. Ich habe zuerst die Linie der Laibhölzer am Rand der Decks und rund um die Deckshäuser gezogen, dann die mittleren Linien und mich anschließend von dort weiter nach außen gearbeitet, indem ich für jeden Strich das Lineal neu justiert und mit Gewichten beschwert habe, damit es nicht verrutschte.

Das alles klingt, wenn ich es so aufschreibe, ganz einfach, war aber eine höchst nervige Arbeit (von der ich infolgedessen auch kaum Fotos besitze). Denn kein Strich konnte korrigiert werden, jeder musste sitzen! Einmal abgerutscht oder nicht richtig durchgezogen, und ich durfte das ganze Deck abschleifen und neu versiegeln. Das ist zum Glück nicht allzu oft vorgekommen.

Nach dem Aufmalen der Linien habe ich die Decks wieder versiegelt; das musste sehr vorsichtig geschehen, um die Tinten-Linien nicht anzulösen. Ich habe die Versiegelung in sehr dünnen Schichten mit der Airbrush aufgebracht und immer wieder gut antrocknen lassen, bis ich sie sogar anschleifen konnte, um den gewünschten Glanzgrad zu erhalten.

Die folgenden Fotos zeigen das Ergebnis bei einer Stellprobe mit weiteren gesäuberten Beschlagteilen des Backdecks.

Ich war anfangs sehr glücklich, als diese Arbeit gelang, musste aber auch hier erleben, wie anstrengend es sein kann, eine gute Leistung mehrmals zu wiederholen. Immerhin mussten alle  Decks (9 größere und ein paar kleinere)

a) von allen Beschlägen und von ihrer Reling befreit,

b) abgeschliffen, abgeschliffen, abgeschliffen...,

c) versiegelt, geschliffen, versiegelt,

d) beplankt (mit Tusche) und

e) nochmals versiegelt, geschliffen, versiegelt, geschliffen werden.

Das Ergebnis ist sicher nicht perfekt, kann sich aber neben der Arbeit meiner Vorgänger sehen lassen. Ich wage sogar zu behaupten, dass der Frenchpolisher bei MKenzie + Co. manchmal weniger penibel war als ich:

Auf dem Foto oben ist zu erkennen, dass auch alles Schleifen und Bemalen nicht rückgängig machen konnte, was die Zeit bewirkt hatte: eine Nachdunklung des Holzes. Doch das hatte einen nicht ganz schlechten Nebeneffekt, so markierten die hellen Stellen nämlich die genaue Position von Beschlägen etc. Natürlich habe ich auch alle Löcher in den Decks belassen, weil sie anzeigten, wo später irgendeine Relingstütze, ein Stift, eine Schraube versenkt werden mussten. Nach dem Aufrüsten der Decks würde also auf ihnen wieder Gleichfarbigkeit und Lochfreiheit herrschen!

Die Seitenkanten der oberen, freistehenden Decks mussten weiß lackiert werden. Ihre Unterseiten auch, obwohl man die nur sieht, wenn man seine Bandscheiben einer heiklen Belastungsprobe aussetzt. Kleine Absplitterungen an den Deckskanten konnten mit Holzstücken oder mit speziellen Holzspachteln ergänzt werden.

Reling 1

Nachdem der lackierte und mit den Bullaugen versehene Rumpf wieder einige Monate im Pausenbereich gestanden hatte, begann an ihm die wohl aufwändigste Routinearbeit bei der Restaurierung: Die Rekonstruktion der Reling. Etwa 450 cm Reling mussten insgesamt neu aufgebaut werden. Ich hatte bei der Zerlegung des Modells lange darauf spekuliert, die filigrane Reling als Ganzes erhalten und zusammen mit den jeweiligen Decks von Lack und Dreck befreien zu können.

Ich denke, das folgende Foto zeigt, wie „fromm“ dieser Wunsch war. Die Relingstützen waren vielfach dick weiß überlackiert und die Durchzüge teilweise so stark oxydiert, dass sie bei Berührung brachen.

Selbst da, wo die Reling nicht brach, half der auch der Einsatz entsprechender Putzwerkzeuge nicht.

Tatsächlich musste ich die hölzernen Handläufe entfernen, jede (ich werde sie irgendwann einmal aus Jux zählen) Relingstütze vorsichtig herausziehen, sie zuerst in Aceton baden und anschließend von Hand (d.h. mit Schmirgelpapier und Glasfaserradierer) reinigen. Nicht zu vergessen: die Löcher von 0,5 mm mussten aufbohrt werden. Anschließend waren die Relingstützen zu richten und sorgfältig aufzubewahren; es gab nämlich verschiedene Größen und Ausführungen.

Und dann ging es an die Rekonstruktion. Ich zeige das exemplarisch an der untersten Reling des Achterdecks. Hier mussten zunächst die Kanten am Rumpf geschliffen und neu lackiert werden, in mehreren (zwischendurch wieder geschliffenen) Lagen und natürlich ohne die Löcher zuzuschmieren, die ich ja, weil ich die Originalhandläufe verwenden wollte, an genau der richtigen (alten) Stelle brauchte. Glücklicherweise hatte ich eine Farbe der Firma Humbrol gefunden, die sehr gut zu den Decks passte. So musste ich nie anmischen. Hier ein Foto aus einer Testphase:

Doch wie jetzt die Stützen einsetzen? Kleben? Aber am Original war doch nichts geklebt. Würde ich allerdings die Stützen nur locker einsetzen, bekäme ich die Durchzüge niemals hindurch, ohne die Stützen wieder heraus zu katapultieren. Das konnte ich mir zumindest gut vorstellen, wenn ich abends vor dem Einschlafen über dem Problem grübelte.

Schließlich habe ich die Stützen auf 0,5 mm Messingdraht aufgefädelt, dabei immer ein Auge auf die Fotos, die ich bei der Zerlegung gemacht hatte, um zu sehen, welche Stütze an welche Stelle gehörte. In diesem Auffädel-Stadium konnten sie auch ein letztes Mal auf Hochglanz geputzt werden.

Und jetzt galt es sie einzusetzen. Ein Octopus hätte das besser gekonnt als ich, aber auch er hätte sich wahrscheinlich eine neunte Hand gewünscht. Klebeband musste aushelfen.

Schließlich der große Moment: Der hölzerne Handlauf, der bei der Demontage mehrfach und natürlich immer an den Löchern gebrochen und dann mit Epoxydharz zusammengeflickt worden war, sollte von oben über die verlängerten und auf die einfachen Relingstützen geschoben werden. Würde das funktionieren? Das tat es! Und es reichten erstaunlicherweise nur vier bis sechs Hände dazu aus. Zwei Fotos vom Ergebnis:

Da, wo der Handlauf auf das massive Schanzkleid trifft, war er im Original gestiftet. Ich habe das später mit Messingdraht, der zuvor in Sekundenkleber getaucht wurde, imitiert. Ein kleines Zugeständnis an die Materialien der Neuzeit. Die massiven Messingstützen aus T-Profil auf dem Foto unten müssten später ebenso wie die Spitzen der verlängerten Relingstützen in das jeweils obere Deck passen.

Die Reling um das Achterdeck war das erste komplexe Teil, das am neu hergerichteten Rumpf befestigt wurde und nicht wieder abgenommen werden konnte, um es noch einmal (und noch einmal und noch einmal...) zu überarbeiten und zu verbessern. Das war ein wichtiger Schritt. Denn jetzt begann, nach Jahren des Zerlegens und des Bearbeitens einzelner Teile, tatsächlich die Rekonstruktion als Wiederaufbau. Außerdem war die (gelungene) Reling ein erster Indikator für die Qualität der ganzen Arbeit.

Die Aufbauten

Decks und Aufbauten ließen sich, wie gesagt, weitgehend problemlos voneinander trennen. Nichts war geklebt. Ich habe bei der Demontage des Modells die Arbeit der schottischen Modellbauer sehr zu schätzen gelernt! Die Aufbauten sind in beiden Dimensionen zurecht geschliffene „Schnitten“ aus Holz, die Decksprung und Balkenbucht nachbilden. Sie bestehen aus einem mir unbekannten Holz, das an den Kanten mit einem anderen, härteren Holz furniert ist. Der Lack auf den Aufbauten war noch am besten erhalten; dennoch hatte ich mich zu einer Entfernung aller Beschläge und einer kompletten Neulackierung entschlossen, um das Modell in einheitlichen Farbtönen präsentieren zu können. Die folgenden Fotos zeigen Aufbauten in verschiedenen Bearbeitungsstadien, um das Vorher-Nachher deutlich zu machen.

Ein eher geringes Problem war die Neulackierung der Aufbauten, wenngleich auch hier und da ein wenig gespachtelt werden musste. Wesentlich aufwändiger war das Reinigen der Fensterrahmen, die Stück für Stück aus Messing gesägt waren.

Sie waren mit winzigen Nägeln an den Aufbauten befestigt; genau wie die grünen Plättchen aus einem Kunststoff (?) dahinter ließen sie sich gut entfernen. Allerdings waren es sehr sehr viele:

Gesäubert habe ich die Teile mit Seifenlauge und Schmirgelpapier. Anschließend habe ich sie wieder zusammengesetzt, wobei ich allerdings ein ganz kleines bisschen Sekundenkleber verwendet habe. Ich musste auch neue Löcher (0,4 mm) bohren, weil ich nicht jedes Fenster exakt an seinen angestammten Platz zurückbringen konnte. Die alten Löcher wurden natürlich verdeckt.

Leider fehlten einige der großen Fenster. Bei einem früheren Sturz des Modells auf die Backbordseite (der noch andere Beschädigungen zur Folge hatte) sind sie wohl abgerissen worden. Ich hätte die Rahmen ätzen lassen können; aber da die Originale aus ziemlich dickem Material gesägt waren und keines genau wie das andere aussah, habe ich ein paar Rahmen abgeformt.

Apropos abgeformt. Ich hatte ja erwähnt, dass ich 2006 eine starke Ahnung davon hatte, was alles ich würde lernen müssen, um die Restaurierung abschließen zu können. Dazu gehörte vor allem die Herstellung von Silikonformen und die Technik des Abgießens mit Resin. Beides ist, wie so vieles, leicht – wenn man es kann und die richtigen Materialien verwendet! Ich habe mehrere Monate gebraucht. bis ich die richtigen Materialien gefunden hatte und in ihrer Anwendung einigermaßen sicher war.

Auf dem Foto sind die neuen Rahmen bereits grundiert und zweimal mit Humbrol-Gold gestrichen.

Links ein Abguss, noch ohne Bohrlöcher, rechts ein Original:

Schließlich fehlten den Aufbauten nur noch die Türen. Am Modell waren sie mit dünner Feder getuscht worden, ähnlich wie die Decksplanken.

Doch das nachzumachen schaffte ich nicht, ohne wieder alles zu ruinieren. Ich habe es versucht, auch mit Schablonen, doch es ging nicht, nicht zuletzt wegen der fehlenden Auflagefläche für Hand und Lineal. Weiß der Himmel, wie die Schotten das hingekriegt haben! Es folgten dann Versuche mit Türen, die ich aus Resin gegossen hatte. Hier die Silikonform mit transparentem Deckel.

Und hier das Ergebnis:

Doch diese Türen hatten schon keine besonders scharfen Kanten, und die wurden beim Lackieren nur noch etwas weicher. Sprich, die erhabenen Türen wirkten so gar nicht wie die getuschten am Original, die etwas sehr Distinktes und Sichtbares haben.

Auf die Lösung kam ich erst spät: Ich habe schließlich eine Tür mit dem Zeichenprogramm am PC konstruiert und auf durchsichtige, selbstklebende Folie gedruckt, die ein Papierwaren-Händler mir empfohlen hatte. Das Ergebnis:

(Größe übrigens ca. 17 an 9 mm) Hier noch ein Foto vom ersten erstellten Bogen, Türen in verschiedenen Größen wie im Original.

Aber auch das war nicht die endgültige Version. Schließlich habe ich die Türen durch selbstgefertigte Nassschiebebilder dargestellt, die sich noch „randloser“ auf das Holz legen lassen, da sie noch ein wenig dünner sind als die Folie. Die Türgriffe bilden wie am Original Griffstangenhalter mit einem kleinen Ring.

Die Technik des Decals funktionierte großartig. Einen Nassschiebebildbogen, den man mit einem Laserdrucker bedrucken kann, bekommt man übrigens für etwa 2 Euro bei Online-Anbietern. Im analogen Fachhandel bin ich nicht fündig geworden.

Bestücken der unteren Decks

Jetzt, da die restaurierten unteren Decks und die ersten Aufbauten eingebaut und mit den Beschlagteilen versehen werden konnten, stellte sich ein weiterer Vorschein des Fertigen ein. Die beiden folgenden Fotos zeigen den Bereich zwischen dem zentralen und dem hinteren Aufbau. Der hintere Aufbau enthielt normalerweise die Krankenstation und war deswegen baulich streng abgetrennt. Daher auch die quer über das Deck gezogene Reling. Die Bohr- und Stiftlöcher im Deck und die bei der Zerlegung gemachten Fotos ermöglichten eine Vervollständigung der jeweiligen Bereiche mit Lüftern, Pollern, Bänken, Treppen etc.. Dabei ging es nicht ohne reichliches Kramen in den gut gefüllten Teilekisten ab. Der Vorgang hatte trotzdem (oder gerade deswegen) etwas angenehm prickelnd Archäologisches. Als würde Schliemann Troja ausgraben und anschließend wieder aufbauen.

Vorher:

Nachher:

Auf dem nächsten Foto sind die Beschlagteile des Backdecks fast vollständig, wenngleich noch vorläufig, positioniert. Einige mussten neu gestrichen werden. Ich hatte sie anfangs wie im Original brünieren wollen. Doch dazu hätte ich die betreffenden Teile zuerst komplett abschleifen müssen. Bei den schlichteren Teilen wie den Pollern habe ich mir das erspart und sie gleich lackiert. Hier zunächst eine Totale, dann ein paar Detailaufnahmen.

Die Reling des Backdecks ist übrigens aus neuen Relingstützen gebaut. Die Originalteile waren hier so stark der Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen, dass zu viele davon beim Herausziehen zerbrachen. Natürlich habe ich keine Stützen in exakt derselben Größe bekommen, aber immerhin sind die neuen den alten sehr ähnlich. Dass sie etwa 1,7 mm kürzer sind, fällt m.E. nicht sehr auf. Ich fand sogar die Originalreling eher ein bisschen zu hoch.

Lüfter

Es folgt ein Blick auf einen der vielen Nebenschauplätze, auf denen ich mich immer wieder tummeln konnte, wenn das große Ganze zu belastend wurde. Die KFJ besitzt Lüfter mit vier verschiedenen Durchmessern und in jeweils verschiedenen Längen, alle aus Messing getrieben mit dünnen angelöteten Rändern.

Die Lüfter waren zuletzt (im Zustand Marco Polo) weiß gestrichen, doch sie hatten die Farbe abgestoßen und waren schwarz oxydiert. Nur im Inneren befanden sich noch verkrustete rote Farbreste, anhand derer sich die Originalfarbe identifizieren ließ: British Scarlet Red. Aber diese Farbe gefiel mir nicht, obwohl sie authentisch war. Für mein Empfinden biss sie sich schrecklich mit dem Rot der Schornsteine.

Ich habe dann stattdessen ein kräftiges Normalrot gewählt.

Die Lüfter wurden schließlich poliert und dann zaponiert, um sie gegen Oxydation zu schützen.

(Das nächste Kapitel wird vom "Schwestermodell" der KFJ handeln, danach wird der Baubericht fortgesetzt.)

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